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Dong Zhou

© Thomas Zydatis

Dong Zhou (*1992) ist Komponistin, Medienkünstlerin und Performerin. Sie erwarb ihren B. A. in Music Design am Shanghai Conservatory und ihren M. A. in Multimedialer Komposition an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Zhou komponierte Auftragswerke für das Shanghai International Art Festival, das Hamburg CLAB Festival und das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) Karlsruhe. Im Jahr 2018 gewann sie den 1. Preis des ICMC Hack-N-Makerthon. Im Jahr 2019 erreichte sie das Finale des Deutschen Musikwettbewerbs. Derzeit promoviert sie an der Leuphana Universität Lüneburg zum Thema „Site-specific Multimedia Performance as an Artform“.

 

 

 

 

 

EINBLICKE IN DIE PRAXIS von Dong Zhou

„Der Sound der Stadt. – Eine kollektive Klang-Collage über Kassel“

konzipiert, organisiert und ausgeführt von Damian Ibn Salem und Dong Zhou

© Dong Zhou

Die Idee für das Projekt stammt aus dem Stück “Chambers” des amerikanischen Komponist Alvin Lucier. In dem Stück geht es darum, dass der Klang seine Charakteristik in verschiedenen Räumen verändert.

Das Originalstück ist eine Textpartitur. Darin sind viele Klangobjekte, die Wege der Klangerzeugung und viele Arten von Räumen aufgelistet. Der/die Musiker*in sollte diese Klangobjekte in einem kleinen Raum spielen und sie dann in einen größeren Raum bringen. Durch verschiedene Kombinationen werden unterschiedliche Klänge erzeugt. Es betrachtet alle Objekte mit einem Resonanzkörper als Raum und ermutigt die Menschen, mit den Dingen um sie herum Geräusche zu machen und sie in verschiedenen Räumen zu hören. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Raumakustik, aber auch auf der Beziehung zwischen Mensch und Umwelt.

Ich habe folgende Materialien vorbereitet: kleine Lautsprecher, Verstärkungs-Board, Batterie, Batterie-Box, Mp3, Audiokabel und Field-Recorder. Die Schüler*innen können mit dem Field-Recorder Klängen aufnehmen, dann Dateien bearbeiten, zu Mp3 kopieren, die Mp3 mit Audiokabel zum Verstärkungs-Board verbinden und die Klänge durch Lautsprecher abspielen.

 

Die Teilnehmer-Gruppe sind Schüler*innen von zwei 9. Klassen aus Fulda. Sie sind aktiv, neugierig und haben schon Erfahrung mit Musizieren und elektronischen Instrumenten. Das Projekt ist ein Teil ihres Klassenausflugs nach Kassel, die Stadt ist ganz neu zu entdecken.

Sie haben Interesse, ein Instrument zu basteln. Vorher haben sie elektronische Instrumente gespielt, aber sie wussten nicht, wie es darin aussieht. Sie haben die Erwartung, eine Klanginstallation zu sehen und eine selbst zu bauen. Wir haben geplant, zuerst eine Klanginstallation der documenta 15 zu sehen, danach in einem Raum zu gehen und zu basteln.

Ich habe meine Erfahrungen in den Bereichen Komposition, zeitgenössische Musikperformance, Klangkunst und Kollektivarbeit in dieses Projekt eingebracht. Vor dem Workshop plante ich das Material und lötete das Kabel für die Schüler, damit sie auf ihrer Reise etwas Zeit sparen und sicherer sein können. Im Workshop habe ich versucht ihnen zuerst einige individuelle Aufgaben zu stellen:

 

Danach arbeiteten die Schüler*innen gemeinsam in einer großen Gruppe: Stellten alle „Räume“ in einem großen „Raum“ (Box) zusammen und hörten sich die Unterschiede zwischen den verschiedenen Positionen an. Schließlich entwarfen sie eine Klanginstallation mit einer von allen erstellten Klangcollage und einer von allen gestalteten Akustik.

 

In diesem Projekt wollte ich, dass die Schüler*innen Kassel auf eine besondere Art und Weise erkunden. Durch ein Mikrophon hört man mit mehr Fokus, es ist wie eine Landschaft durch eine Kamera zu sehen. Man nimmt keine Informationen passiv über das Ohr auf, sondern hört selektiv einen Klang nacheinander. Hoffentlich können sie diese Methode auch anwenden, wenn sie in ihre Heimatstadt zurückkehren und die Stadt neu kennenlernen wollen. Ich möchte dazu beitragen, dass die Menschen ihre Umgebung aufmerksam wahrnehmen und eine neue Verbindung zu ihrer Umwelt finden. So wie Menschen unbewusst Müll hinterlassen oder Graffiti anbringen, so hinterlassen sie auch Spuren in der Stadt; menschliche Aktivitäten hinterlassen auch Spuren in der Klanglandschaft. Die Spur im Klang ist schwieriger zu finden, aber wenn man sie gefunden hat, kann sie starke Emotionen zur Vergangenheit der Stadt hervorrufen.

Ich komponiere Stücke mit Field-Recording, mache Installationen für bestimmte Orte und recherchiere für ortsbezogene Performances. Sie alle haben mit der “Listening Practice”, die Übungen zur Schärfung des Bewusstseins für die klangliche Umgebung, zu tun. Als ich in der Schule war, war ich mir dessen nicht bewusst. Mir wurde immer gesagt, ich solle den „richtigen“ Ton auf meinem eigenen Instrument spielen, ich solle ignorieren, wo ich war, und den Klang in der Umgebung als Störung ignorieren. Ich wünschte mir, jemand hätte mir früher gesagt, dass ich meine Umgebung wahrnehmen sollte, damit ich mehr akustische Erinnerungen aus diesem Alter hätte. Das ist der Grund, warum ich versucht habe, dieses Thema an Schulkinder heranzutragen. Ich habe versucht, sie das Zuhören durch eigenes Tun üben zu lassen, ohne zu viel zu erklären. Obwohl es viele Theorien gibt, z.B. Deep Listening von Pauline Oliveros, die diese Praxis unterstützen.

Das DIY-Gerät brachte den Kindern viel Spaß. Diese Geräte sind flexibel, lustig und preiswert. Die Kinder fühlen sich oft selbstbewusster, wenn sie etwas in der Hand haben und etwas damit machen können. Der Prozess der Audioproduktion war zu kurz, aber schließlich hatte jeder eine Idee.

Es war laut in mehreren Gruppen, die Objekte mit Resonanzkörpern ausprobierten, aber die Unterschiede waren trotzdem hörbar und den Schülern gefiel es. Am Ende haben wir eine kollektive Installation gemacht, und wir waren mit dem Ergebnis zufrieden. Als wir es uns anhörten, konnte jeder seine Idee darin wiederfinden.

 Gong Projekt, 2017

© Dong Zhou

Im Jahr 2017 gründeten Wang Shiwen und ich gemeinsam das Kollektiv „Gong Projekt“, das interdisziplinäre Musikstücke produziert und Musiker:innen verschiedener Stilrichtungen zusammenbringt. In diesem Projekt wollen wir die Möglichkeit bieten, sich mit chinesischer Folklore und Philosophie auseinanderzusetzen, sie in Musik und Performance zu transformieren, um damit die heutige Gesellschaft zu kommentieren und zu kritisieren.

Was haben Sie aus diesem Projekt für Ihre künstlerische Arbeit mitgenommen?

Ich habe gelernt, die Musik nicht nur als akustisches Ergebnis wahrzunehmen, sondern einen Zugang zum Kontext zu bekommen sowie den historischen Hintergrund zu erforschen. Diese Erfahrung wiederum inspiriert meine Kompositionen. Besonders wenn ich performative Stücke kreiere, verleihen sie der Musik eine neue Dimension. Während der Kollaboration mit Musiker:innen aus verschiedenen Regionen lerne ich, wie sie Kultur verstehen und ausdrücken. Ich erkläre dann einige chinesische kulturelle Phänomene. Dieser Erfahrungsaustausch soll keine exotische Ausstellung sein, sondern eine Plattform für gegenseitiges Verständnis und die Diskussion aktueller gesellschaftlicher Themen. Die gewonnene Erfahrung aus diesem Austausch kann außerdem auch auf das Kuratieren von Konzerten übertragen werden.

Welches Thema taucht in Ihrer künstlerischen Arbeit immer wieder auf?

In meiner künstlerischen Arbeit tauchen verschiedene Themen immer wieder auf: die Klangumgebung und ihre Botschaft, insbesondere im industrialisierten städtischen Leben, außerdem Individuen in einem machtvollen System, Missverständnisse und Diskriminierung auf der Grundlage von Gender und Ethnizität sowie die Internetkultur. Diese Themen überlappen einander oft, da es sich bei ihnen um unterschiedliche Seiten der Gegenwartskultur handelt.

Was möchten Sie mit Ihrer kulturellen Bildungsarbeit bewirken?

Ich möchte mit meiner kulturellen Bildungsarbeit einerseits Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund unterstützen, sich auszudrücken und dadurch sichtbar zu werden. Andererseits möchte ich damit Menschen helfen, sich gegenseitig zu verstehen und sich selbst zu reflektieren.

Was macht für Sie eine künstlerische Intervention in der Kulturellen Bildung aus?

Die künstlerische Intervention in der Kulturellen Bildung findet ein Thema und versucht, es mit einer künstlerischen Lösung anzusprechen. Manchmal wird das Problem nicht unmittelbar gelöst, jedoch kann die Intervention das Thema in die künstlerische Praxis integrieren und die Situation allmählich verbessern.